OLG Hamm – Beschluss v. 05.03.2014 – 12 U 151/13
Kommentar: Diese Entscheidung des OLG Hamm verdient Beachtung. Grundsätzlich kommt dem Ersteller eines mangelhaften Werks (also auch einer fehlerhaften Tätowierung) das Recht zu, dieses selbst nachzubessern (Nacherfüllung – § 635 BGB). Erst wenn diese Nachbesserung fehl schlägt, kann der Besteller (also der Kunde) in der Regel die ihm zustehenden weiteren Gewährleistungsansprüche geltend machen. Dies gilt nicht, wenn die Nacherfüllung für den Kunden unzumutbar ist (§ 636 BGB).
Das Oberlandesgericht vertritt hier die- sicherlich prinzipiell zutreffende – Auffassung, dass sich die Kundin eines Tätowierers, dessen Werk aufgrund eines zu tiefen Stechens Blow-Outs aufweist und dessen Linien überdies nicht dem zuvor aufgebrachten Stencil folgen nicht auf eine Nacherfüllung einlassen muss, da beide Fehler – zumindest zusammen – das Vertrauen des Kunden in die technischen Fähigkeiten eines Tätowierers derart nachhaltig beeinträchtigen, dass diese Korrekturen durch denselben Tätowierer nicht zu erdulden braucht.
Das Urteil darf dennoch nicht verallgemeinert werden: Nicht immer weisen Blow-Outs auf einen fachlichen Fehler des Tätowierers hin und die Abweichungen der Tätowierung von der zuvor aufgebrachten Vorlage dürften auch mehr als nur minimal gewesen sein, um eine solche Entscheidung zu rechtfertigen. Ich wäre wirklich neugierig, das hier betroffene Tattoo mal zu sehen zu kriegen.
„Tattoo-Selfies“ als Urheberrechtsverletzungen?
Der Kollege Vetter hat unter hier auf einen Artikel der Kollegen Müller und Gulden aufmerksam gemacht, welcher sich mit der Frage beschäftigt, ob die Online-Veröffentlichung eines Fotos der auf dem eigenen Körper befindlichen Tätowierung als Urheberrechtsverletzung gewertet werden kann. Die Frage wird im wesentlichen so beantwortet: Wenn jemand auf einer Seite wie tattoobewertungen.de oder tattooscout.de die auf sich selbst befindlichen Tätowierungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht – so die Kollegen – soll dies unter der Voraussetzung, dass die Darstellung der Tätowierung hinter der Darstellung der eigenen Person (die natürlich erlaubt sein soll – auch mit Tattoos auf der Pelle) in den Hintergrund tritt – was in derartigen Fällen eigentlich regelmäßig der Fall ist – eine Urheberrechtsverletzung zum Nachteil des Tätowierers darstellen.
Diese Auffassung scheint mir unzutreffend: Es dürfte sich regelmäßig – und zwar ohne dass es hier aus meiner Sicht einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf – von selbst verstehen, dass der Kunde eines Tätowierers mit der Tätowierung selbst auch das Recht übertragen bekommt, diese in beliebiger Weise abzufotografieren und auch zu veröffentlichen. Alles andere bedeutete nämlich letztlich nichts anderes, als ein Veröffentlichungsverbot an Abbildungen eigener Körperstellen.
Es sollte sich eigentlich – auch abseits jedes juristischen Glasperlenspiels – als kaum gewollt darstellen, dass der Kunde eines Tätowierers mit dem Aufbringen der Tätowierung – beispielsweise auf dem eigenen Bein – dem Tätowierer damit letztlich das Recht einräumt, darüber ob ein Foto des eigenen Körperteils überhaupt online veröffentlich werden darf, zu entscheiden. Eine solche Art der Fremdbestimmung über den eigenen Körper dürfte mit persönlichkeitsrechtsgestützten Autonomieansprüchen nicht vereinbar sein. Es ist diesbezüglich auch kein schützenswertes Interessen des Tätowierers erkennbar, solch eine Art der Verbreitung zu vermeiden. Tätowierungen werden – jedenfalls regelmäßig – ohnehin schon durch das Auftreten der tätowierten Person in der Öffentlichkeit einem unendlich großen Personenkreis zugänglich gemacht . Es ist nicht ersichtlich, weshalb für die Verbreitung durch einfaches Anwesend-Sein im öffentlichen Raum etwas anderes gelten sollte als durch eine solche im virtuellen Raum.
Legt man demnach den Vertrag zwischen Tätowierer und Kunden unter den hergebrachten Methoden aus – gegebenenfalls mithilfe ergänzender Vertragsauslegung – so kommt man nach meinem Dafürhalten auch recht mühelos zu dem Schluss, dass die Rechteübertragung an den Kunden eine derartige Verwendung (öffentliche Zugänglichmachung – § 19a UrhG) mit einschließt.
Sollte sich also hier jemand schon die Hände für eine neue Abmahn-Idee gerieben habe, würde ich diesem Geschäftsmodell eher düstere Aussichten prophezeien.
Eine ganz andere Frage ist natürlich ob der Tätowierer in solch einem Fall z.B. nicht etwa einen Anspruch auf Namensnennung hätte – was sicher der Fall ist.